The way life should be - Maine

von Raymonde Harland nach einem mündlichen Bericht

erschienen in: Maine Coon first 2/99

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Ganz Amerika bereitet sich auf das 21. Jahrhundert vor. Ganz Amerika? Nein. Irgendwo im Nordosten des Kontinents gibt es einen kleinen Staat, in dem die Menschen sich noch immer tapfer gegen das 20. Jahrhundert zur Wehr setzen. Während in 200 Städten der USA für Jugendliche eine nächtliches Ausgangsverbot erlassen wird, um die Bürger vor ihren randalierenden und raubenden Sprößlingen zu schützen, ist dort oben im Norden das Leb en noch in Ordnung. Jedenfalls scheint es so.

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"Maine - the way life should be" ist das Motto des Neu-England-Staates. Hier läßt man die Tür noch offen, wenn an das Haus verläßt. Hier kennen sich die Nachbarn, auch wenn sie zehn Meilen auseinander wohnen. In der örtlichen Zeitung kann jeder lesen, wie das letzte nachbarliche Picknick verlaufen ist und daß die Kinder der Nachbarin aus Massachusetts zu Besuch kamen.

Maine ist größer als Österreich, aber kaum mehr als eine Million Menschen leben hier. Rund 90 Prozent des Staats sind von Wäldern bedeckt, in denen noch Elche und Bären zu Hause sind. Sieben Prozent des Landes bestehen aus Wasser; die 2787 Seen und rund 5000 Flüsse und Flüßchen machen Maine zu einem Anglerparadies. An der wild zerklüfteten Atlantikküste wird so viel Hummer gefangen, wie sonst nirgends in den USA.

Nicht nur im Oktober zur Zeit des Indian Summer, wenn die Wälder in glühendroten Farben prangen, ist das ganze Land ein einziges Naturerlebnis. "Vacationland" haben die AutofahrerInnen in Maine auf ihren Nummernschildern stehen, weil sie dort leben, wo andere Urlaub machen.

Ohne Zweifel ist Maine einer der schönsten Staaten der USA und einer der ärmsten. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt hier weit unter dem US-Durchschnitt, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die einst blühende Schiffbauindustrie ist auf ein Minimum geschrumpft; der Export von Eisblöcken in die Südstaaten hat sich im Zeitalter der Kühlschränke erübrigt. Nur der Tourismus und die Holzwirtschaft bieten noch in nennenswerter Weise Lohn und Brot.

Aber auch hier wackelt das Bild vom beschaulichen Naturleben, wenn man genau hinsieht. Etliche der Flüsse und Seen des Staates sind durch die Abwässer der Papiermühlen mit Dioxin und anderen Giften verseucht. Der Raubbau am Wald geschieht weitaus schneller als die Wiederaufforstung. Protest gegen solcherlei Umweltsünden sind selten, denn die Papiergesellschaften sind mächtig: ein Drittel der gesamten Fläche Maines liegt in der Hand von sieben Unternehmen, das größte, die "Great Northern Paper Company", besitzt rund ein Zehntel des Landes.

Ein Gesetz, das das Abholzen der Wälder beschränken sollte, wurde im November 96 von de Mehrheit der Bürge abgelehnt. Die Angst, noch mehr Arbeitsplätze zu verlieren, ist letztendlich größer, als die Sorge um eine intakte Natur - auch, wenn diese wiederum das Kapital ist, von dem die örtliche Tourismusindustrie lebt.

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Viele Städte und Dörfer Maines leiden seit Jahren unter dem Phänomen der Landflucht. Die jungen Leute verlassen ihre idyllisch gelegenen, aber verschlafenen Heimatorte. Sie gehen in die großen Städte, getrieben von der Arbeitslosigkeit und den niedrigen Löhnen - und nicht zuletzt von der Angst, auch noch das 21. Jahrhundert zu verpassen.

Sie wollen Nicht, wie ihre Eltern, auf der Veranda des selbstgebauten Holzhauses hocken und auf Gelegenheitsjobs warten. Der Spruch, den manche der Kids auf ihren T-Shirts tragen, verrät mehr Frustration als Nostalgie: " Maine - the way life used to be. When everybody else ist movin to the 21st century, we're still waiting for the 20th to come"

Und die halbwilden Maine-Coon? Es geht ihnen oft nicht gut. In den Touristenhotels schlagen sie sich mit Betteln durch und in den Häfen geben Fischer ihnen die Reste des Fangs. Zum Teil wurden sie zur regelrechten Plage durch ihre Fruchtbarkeit. Tierschützer sammelten 1996 für ein Kastrationsprogramm, die kastrierten Tiere sind an einer gekappten Ohrspitze zu erkennen.

Das Leben in Maine ist eben nur halb so romantisch, wie man es sich von Deutschland aus vorstellt.