Eine griechische Episode

von Raymonde Harland

erschienen in "katzen extra" 8/1997

Zu den anderen Artikeln

rhodos1.jpg (29173 Byte)

Stegna auf Rhodos ist ein kleiner Küstenort fernab vom Trubel. Ein halbes Dutzend gut geführte Familienpensionen und ebenso viele Restaurants säumen die Uferstraße. Es ist unser letzter Urlaubstag. Vorbei an bunt bepflanzten Kübeln sind wir auf dem Weg zu unserem Lieblingsrestaurant "Bei Dimitri". Nicht nur die gute Küche und die herzliche Aufnahme sind daran schuld, daß wir jeden Abend hier verbracht haben. Dimitri hat auch Katzen. An ihrem glänzenden Fell über den wohlgenährten Bäuchlein sieht man gleich: hier gehören die Katzen zur Familie. Und wenn sie sich am späten Abend, wenn Dimitri die Bouzuki herausholt, um uns scharen und sich streicheln lassen, fühlen wir uns wie Zuhause.

rhodos.jpg (38680 Byte)

Die älteste Katze ist schon 8 Jahre alt, eine schildpatt auf weiß mit dem erfolgreichsten Bettelblick der Ägäis. Von ihren beiden halbwüchsigen Jungs will einer immer noch bei ihr trinken aber die Milch ist für die vier fünf Wochen alten Kleinen. Ein bunter Wurf in rot, rot/weiß, black-tabby und schildpatt auf weiß. Acht Jahre ist für eine Katze, die jedes Jahr zwei bis drei Würfe hat und nur von Essensresten lebt sehr viel. Wegen der vielen Würfe hatte ich vor ein paar Tagen einen Streit mit Dimitri an dessen Ende ich versprach ihm die Pille für Katzen zuzusenden, damit wenigstens ein Jahr Babypause eingelegt wird.

Für unseren letzten Abend hat Dimitri uns eine besonderes Menü versprochen. Doch zuerst will ich noch meine Tochter anrufen. Und so gehen wir die Düfte aus verschiedenen Tavernen tapfer ignorierend zur einzigen Telefonzelle des Ortes. Eine kleine Menschenschlange steht davor , wir schließen uns an. Eine schmächtige hochträchtige Katze geht von Mensch zu Mensch, maunzt, streicht um die Beine. Vor mir hockt sie sich hin und preßt, etwas Fruchtwasser geht ab. Ich fühle nach - es sind deutliche Wehen zu spüren. Hoffnungsvoll schaut die Katze mich an, der Blick ist eindeutig: "Kannst Du mir helfen? Ich brauche eine Hebamme!"

rhodos2.jpg (34110 Byte)

In den letzten Tagen hatte ich die Katze in der Taverne neben Dimitri gesehen. Dort führte sie mich auch hin mit hocherhobenen Schwänzchen "folge mir". Die Taverne wird von einem älteren Ehepaar geführt. Ich sprach sie an und bat um eine Kiste. Der Mann sprach gut deutsch. Er versicherte mir, daß die Katze immer alles alleine macht und wenn es soweit ist geht sie in die Ecke wo die alten Fischernetze liegen, es könne also noch gar nicht soweit sein. Angesichts der schon wieder vergeblich pressenden Katze hatte ich da meine Zweifel. Mein Freund holte von Dimitri einen Karton, an Essen war jetzt erst einmal nicht mehr zu denken.

In meiner kleinen Maine Coon Zucht in Hamburg hatte ich schon einige Geburten erlebt, aber da war fast alles problemlos gelaufen. Was sollte ich machen, wenn hier eine größere Komplikation vorlag? Der Karton gefiel der Katze sie stieg hinein und preßte wieder diesmal unterstützt von meinen beiden Händen, die ihren Bauch umfaßten. Ein erster Erfolg in Form eines Stückchens Fruchtblase wurde sichtbar. Darin zappelte ein kleines rotes Füßchen. Wie ca. 50% aller Katzenbabys wollte dieses in Steißlage auf die Welt kommen. Die nächste Preßwehe war noch stärker und brachte ein zweites Füßchen zum Vorschein. Nun wollte die Katze erst einmal nachsehen mit einer unglaublichen Verrenkung um den Bauch herum gelang es ihr an der Fruchtblase zu lecken, dann legte sie sich erst einmal mit einem lauten Seufzer auf die Seite. Inzwischen hatten wir die Aufmerksamkeit der einer Touristin gefunden. "Was machen wir denn nur? Gibt es hier denn keinen Tierarzt?" Mein Freund beruhigte die Frau und ich bemühte mich Zuversicht und Kompetenz auszustrahlen. Die Katze hatte jedenfalls Vertrauen in mich und begann in dieser Wehenpause laut zu schnurren.

Der Wirt war nun ebenfalls neugierig geworden, eine Katzengeburt hatte er noch nie miterlebt. Dann ging es wieder los, die Katze hockte sich wieder hin, ich umspannte den Bauch und los ging das Pressen. Die Katze schrie, die Touristin schrie mit und das soeben geborene Kitten quieckte. Sofort begann die Katze es abzulecken und abzunabeln. Es war ein roter Kater ich schätze ihn auf ca. 130g. Für so eine kleine Katze eine wirklich große Leistung. Der Wirt war begeistert "Was Dein Beruf? Du Frauenarzt?". Das ich Katzen züchte, wollte er gar nicht glauben.

rhodos3.jpg (27522 Byte)

Nach zwei Stunden hatten wir vier Kitten, eine sauber geleckte und zufrieden säugende Katze und ich hatte ein weiteres "Pillenpaket" versprochen. Das besondere Menü hatten wir uns wirklich verdient.

Am nächsten Morgen, bevor es zum Flughafen ging, sah ich noch einmal nach der Katze. Stolz wie jede Katzenmutter auf der Welt präsentierte sie mir nach einer stürmischen Begrüßung ihre inzwischen auf fünf angewachsene Kinderschar. Ganz offensichtlich bot sie mir eine Stelle als Patentante an. Ich fühlte mich geehrt.

Inzwischen ist einige Post hin und her gegangen und ich habe ein paar Fotos von "meinen" Kleinen erhalten. Den Weg zu Dimitris Küche haben sie ganz schnell gefunden.

Während ich dies hier schreibe, schaut mich meine hochträchtige Katze an:" bitte folgen, ich brauche eine Hebamme!"