Wie erziehe ich einen Menschen Teil 2

erschienen in "Maine-Coon-first"

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Ein Zuhause erobern

Wenn Du Dir die richtigen Menschen ausgesucht hast, wirst Du am Tag Deines Einzugs schon fast alles vorfinden, was eine Katze braucht. Wenn Du aber nicht bei Menschen aufgewachsen bist und Dich erst später entschließt einen Menschen in Deinen Dienst zu stellen, oder wenn Du umziehen willst, liegt ein schweres Stück Arbeit vor Dir.

Die meisten Menschen ohne Katze wissen nicht, dass sie dringend eine benötigen. Über Nacht wird dann für sie alles anders; über ihr Heim, ihre Zeit, ihre Gebräuche und Gewohnheiten bestimmst in Zukunft Du. Eine solch folgenschwere Umstellung verkraften Menschen nur in kleinen Schritten. Zuerst musst Du sie also davon überzeugen, dass sie ohne Dich nicht leben können. Eine sehr erfolgreiche Strategie ist "armes verhungertes Kätzchen". Sie kann bei allen Arten von Menschen angewendet werden, bei Paaren wende Dich aber klugerweise zuerst an die Frau. Auch wenn Du Menschen bisher nicht aus der Nähe kennst - hab keine Angst vor einem solchen Unternehmen, der Eroberungswille steckt auch in Dir!

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Damit Du Dir besser vorstellen kannst, wie die Eroberung eines Zuhause aussehen kann, erzähle ich Dir meine Geschichte:

Ich wurde auf einem großen Friedhof geboren. Dort lebte meine Mutter mit anderen Katzen zusammen. Menschen bekam ich nur von Weitem zu sehen, meine Mutter wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Ich konnte aber beobachten, dass einige Menschen regelmäßig Futter für uns hinstellten. Besonders ein Mensch, eine Frau benahm sich dabei sehr höflich. Nie versuchte sie uns zu fangen, nie starrte sie uns an. Diese Frau schien mir geeignet. Als ich drei Monate alt war, folgte ich ihr eines Tages bis zu einem kleinen, freundlich aussehenden Haus mit einem Schuppen, einem Blumen- und Gemüsegarten und sogar einem kleinen Fischteich. Offensichtlich war sie wohlhabend und ich sah keinerlei Anzeichen für Kinder; beides war mir recht. Die Frau war durch die Vordertür ins Haus gegangen, aber ich sah mich zuerst an der Terrassentür um. Durch das Glas konnte ich einen Mann am Schreibtisch arbeiten sehen. Die beiden sahen wie meine Traumfamilie aus!

Die Tür zur Küche war offen, aber ein Fliegengitter versperrte mir den Weg. Doch als kluge Katze wusste ich das Gitter zu nutzen. Ich sprang daran hoch, krallte mich fest und jammerte herzzerreißend. Wie erwartet, lockte ich damit beide Menschen herbei. Ich tat so, als könnte ich nicht von dem Gitter los kommen. Von innen musste dies die beabsichtigte Wirkung haben: ich sah unwiderstehlich aus! Die Frau eilte, mich zu befreien, da ließ ich mich fallen, kletterte aber gleich wieder hoch. "Das arme Ding will reinkommen, sicher ist es mir von der Futterstelle für die verwilderten Katzen hierher gefolgt. Ach guck doch mal, wie es mich anschaut!" damit hatte die Frau schon verloren, der Mann aber war noch widerspenstig. Ihm komme keine Katze ins Haus, höchstens draußen dürfe die Frau mich füttern und dann soll sie mich wieder zum Friedhof zurückbringen. Er ahnte ja nicht, dass ich schon dabei war, auch ihn zu erobern. Nun folgte die Strategie "total erschöpft und vielleicht krank".

Ich hatte mich in kurzer Entfernung vor die Tür gelegt, als die Frau mit einem Schüsselchen voll Futter kam. Jetzt musste ich allen Willen zusammennehmen um nicht an das Futter zu gehen. Nur ein kleines Maunzen gab ich von mir und legte den Kopf auf meine Pfötchen. "Bestimmt ist die Kleine krank, sie geht noch nicht einmal an das Futter. Komm hol den Wagen, du musst mich zum Tierarzt fahren." Widerwillig kam der Mann den Wünschen seiner Frau nach. Jetzt musste ich allen Mut zusammennehmen um nicht instinktiv zu flüchten, als die Frau mich vorsichtig auf den Arm nahm. Mein Herz klopfte vor Aufregung wie verrückt, als sie mich in eine Kiste setzte. Schon nach kurzer Fahrt stand für mich fest, dass war das erste und letzte mal, dass ich Auto fahre, aber tapfer hielt ich aus.

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Beim Tierarzt hielt der Mann die Kiste und verstohlen streichelte er mich durch ein Luftloch. Jetzt musste ich ihm nur noch eine Brücke bauen, damit er sein "nein" zurücknehmen konnte ohne sein Gesicht zu verlieren. Dabei war der Tierarzt mein Verbündeter. Er merkte natürlich sofort, dass mir nichts fehlte. Er merkte auch sofort, dass die Frau mit mir leben wollte und dass nur noch der Mann einen Grund brauchte um zuzustimmen. "Die Kleine ist total erschöpft, ich gebe ihr eine Aufbauspritze. Die nächsten Tage muss sie gut gepflegt werden." Ich wette bei diesen Worten hat der Tierarzt mir zugezwinkert. Es war geschafft!

 

Ein Zuhause einrichten

Das Bett

Das Zuhause ist Dein Eigentum, jetzt müssen die Menschen nur noch lernen, was sie dürfen und was nicht! Ob Du das Bett erobern willst oder nicht, ist Geschmacksache, auf keinen Fall darfst Du Dir Verbote gefallen lassen. Manche Menschen sind der irrigen Meinung, dass das Schlafzimmer nur für sie da ist. Gewöhne es ihnen schnellstens ab. Die meisten Menschen sind aber verblüffend zwiespältig. Sie wollen Dich offiziell nicht im Bett, aber gleichzeitig genießen sie es, mit Dir dort zu kuscheln. Das ist ein Paradox, aber so sind die Menschen eben. Sie wollen Dich nicht im Bett, weil Du auf den frisch bezogenen Laken Deine Haare hinterlässt und weil sich Deine Krallen im Damast verfangen und hässliche Fäden ziehen. Und doch möchten sie Dich im Bett, damit Du ihnen die Füße wärmst oder sie in den Schlaf schnurrst. Menschen sind auch oft einsam und es ist unser Glück, dass wir diese Einsamkeit lindern können, besonders wenn wir uns im Bett an sie schmiegen. Offensichtlich können Menschen sich nicht entscheiden, ob sie Dich im Bett haben wollen oder nicht, deshalb musst Du ihnen diese Entscheidung abnehmen. Sei beharrlich und springe immer wieder ins Bett, sooft sie Dich auch rausscheuchen. Du musst nur den längeren Atem haben und eines Tages haben sie sich an Dich gewöhnt und können ohne Dich nicht mehr einschlafen.

Der Sessel

Alle Sitzmöbel gehören Dir, doch wenn Du einige Zeit in einer Wohnung zugebracht hast, wird der Wunsch in Dir erwachen, einen bestimmten Sessel zu einem Lieblingsmöbel zu machen. Dieser Sessel darf dann von keinem anderen Familienmitglied benutzt werden, er ist für Dich reserviert, egal ob Du gerade darin sein willst oder nicht.

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Allen klar zu machen, dass dies Dein Lieblingssessel ist, braucht Zeit, Wachsamkeit und Geduld. Du musst bereit sein, gerade am Anfang viel Zeit zusammengerollt darin zu verbringen und schlafen. Zumindestens musst Du so tun, als ob Du schläfst, damit niemand es wagt Dich daraus zu vertreiben. Besonders wenn Du Deine Gliedmaßen verknotest wird jeder Mensch entzückt sein und davor zurückschrecken, Deinen heiligen Schlaf zu stören. Wenn sie Dich jederzeit auf dem Sessel sehen, werden sie langsam daran gewöhnt, diesen Sessel nicht mehr zu benutzen.

Jetzt musst Du noch den zweiten Teil der Schlacht gewinnen, denn erst wenn niemand den Sessel mehr benutzt, auch wenn Du nicht darin liegst, hast Du gewonnen. Dafür musst Du Dich strategisch in der Nähe des Sessels aufhalten und jedes mal, wenn ihn ein Unbefugter benutzen will springst Du darauf und nimmst unverzüglich eine Pose ein, die Menschen niedlich finden. Du kannst auch anfangen, Dich gründlich zu waschen und dabei possierliche Verrenkungen ausführen. Jetzt wird höchstens der Fotoapparat geholt, um diese unwiederbringliche Szene festzuhalten, auf die Idee Dich von Deinem Sessel zu jagen, kommt niemand mehr. Aus unerfindlichen Gründen werden sie Dich sogar für besonders klug halten und jedem erzählen, wie gut Du Dich verständlich machen kannst, um zu zeigen, dass dies Dein Sessel ist. Diese Geschichte eignet sich für Deinen Menschen gut als triumphaler Höhepunkt einer Gesellschaft, wenn die Rede auf Katzen zu sprechen kommt. Aus irgendeinem seltsamen Grund ist der Mensch stolz darauf, dass seine kluge Katze ihm den Sessel abgeluchst hat. Menschen sind manchmal wirklich seltsam!

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Auf eine Sache musst Du Dich allerdings noch vorbereiten: Besuch. Manche Menschen sind zu begriffsstutzig um zu begreifen, dass dieser Sessel Dein Lieblingssessel ist und manche Gastgeber sind zu höflich, ihren Besuch darauf hinzuweisen. Es würde Deiner Autorität sehr schaden, wenn Besuch diesen Sessel benutzen darf. Wenn Du Dich also genau vor den Besuch setzt und ihn fixierst, bis er sich unwohl fühlt, bringst Du ihn vielleicht dazu, vorzeitig zu gehen. Wenn Du anfängst in seine Füße zu beißen, wird er zumindestens aufstehen. So schnell wie möglich springst Du dann auf Dein Lieblingsmöbel und die Welt ist wieder in Ordnung.

Andere Besitztümer

Ob Pantoffeln oder der Lieblingspullover- mit der "Sesseltechnik" kannst Du alles in Beschlag nehmen, was Du willst. Achte darauf, dass Deine Vorlieben eine schöne Geschichte zum Rumerzählen oder zumindestens ein orginelles Foto abgeben. Wenn Deine Menschen mit Deinen Marotten oder Deiner Klugheit angeben können, kannst Du alles haben, was Du willst. Du kannst sie sogar dazu bringen, Dir extra Kuschelhöhlen, Kratzbäume in Luxusausführung und jede Menge Spielzeug zu besorgen. Achte aber darauf, nicht alles sofort begeistert anzunehmen. Wenn Du Dir Zeit lässt, etwas zu akzeptieren, werden die Menschen sich immer mehr Mühe geben, es Dir recht zu machen. Wenn Du dann tatsächlich hoheitsvoll etwas annimmst, halten sie es für einen besonderen Liebesbeweis von Dir und Du hast sie endgültig um Deine Pfote gewickelt. 

Fortsetzung Teil 3